Das Marchfeldkanal-Projekt in 5 Minuten
Überblick
Das Marchfeldkanalsystem wurde in den Jahren 1986 bis 2004 errichtet um die wasserwirtschaftliche und naturräumliche Situation in der Region Marchfeld zu verbessern. Dazu gehören die langfristige Sicherung der Wasserversorgung, die Steigerung der Wasserqualität, die Verbesserung des Hochwasserschutzes und die Revitalisierung der Fließgewässer. Im Kern besteht das Marchfeldkanalsystem aus einem neu geschaffenen Gewässernetz, mit dem Donauwasser in das Marchfeld geführt wird. Durch die naturnahe Bauweise gilt das Projekt als gelungene Verbindung wasserwirtschaftlicher, ökologischer und touristischer Zielsetzungen.
Die Region Marchfeld
Die Region Marchfeld ist Lebensraum für mehr als 300.000 Einwohner und ist als DIE Getreidekammer und DER Gemüsegarten Österreichs bekannt.
Das Marchfeld gilt mit einem mittleren Jahresniederschlag von lediglich 515 mm als klassisches Trockengebiet. Trotzdem sind periodische Vernässungen in exponierten Lagen nahe bei Donau und March sowie in Geländetieflagen – vor allem bei Hochwasserereignissen – durchaus typisch. Von den ausgedehnten Sumpfgebieten früherer Zeiten – eine Folge oberflächennaher Grundwasserstände – sind heute allerdings nur noch kleine Feuchtgebiete verblieben.
Im Untergrund des Marchfelds befindet sich ein mächtiges Grundwasservorkommen mit einem Wasservolumen von mehr als 1 Mrd. m3. Es ist die Basis für die Wasserversorgung von Kommunen, Gewerbe und Industrie und hat besonders für die die Feldberegnung in der Landwirtschaft sehr große Bedeutung.
Gründe für die Realisierung des Marchfeldkanalprojektes
Zu wenig Wasser und zu viel Wasser, Dürre und Hochwasser – beide Phänomene sind im Marchfeld historisch belegt und treten auch heute noch immer wieder auf.
- Bewässerung als Antwort auf die Trockenheit hat in der Vergangenheit zu einer deutlichen Übernutzung des Grundwassers und zu dramatischen Absenkungen des Grundwasserspiegels geführt. Die Wasserversorgung der Region wurde damit plötzlich in Frage gestellt.
- Auf der anderen Seite wurden die Folgen von Hochwasserereignissen immer weniger akzeptiert. Der Ruf nach neuen Schutzmaßnahmen wurde daher laut.
- Die kleinen Bäche des Marchfelds waren als Vorfluter für Gemeinden und Industrie völlig ungeeignet. Die Abwasserbelastungen hatten besonders schlechte Wassergütewerte und bereits Fischsterben zur Folge.
- Als Folge der Klimaverhältnisse, der Bodenstruktur und der Bewirtschaftung weist das Grundwasser im Marchfeld hohe bis sehr hohe Nitratgehalte auf.
- Das Marchfeld wird häufig als „ausgeräumte Landschaft“ bezeichnet: viele Hecken, Einzelgehölze oder andere Landschaftselemente sind im Laufe der Jahrzehnte „verschwunden“.
Mit dem Marchfeldkanal-Projekt wurde eine Lösung für diese Probleme gefunden und die strukturelle Behebung dieser Defizite vorgenommen oder eingeleitet; gleichzeitig wurden damit die Entwicklungsmöglichkeiten der Region deutlich verbessert.
Marchfeldkanalsystem
Im Jahr 1983 wurde mit den ersten Planungen des multifunktional ausgerichteten Marchfeldkanal-Projektes begonnen. Die Errichtung erfolgte dann in mehreren Phasen zwischen 1986 und 2004.
Im Kern besteht das Marchfeldkanalsystem aus einem ca. 100 km langen, neu gestalteten Gewässernetz, das sich aus Marchfeldkanal, Rußbach, Obersiebenbrunner Kanal und Stempfelbach zusammensetzt. Mit diesen Gewässern wird qualitativ hochwertiges Donauwasser in das Marchfeld geführt und verteilt. Die Durchflussmengen und die Wasserstände werden über 8 Wehranlagen gesteuert.
Anlagen zur Wasserverteilung aber auch Hochwasserschutzeinrichtungen sind integrale Bestandteile des Systems. Ein Monitoringnetz dient der permanenten Kontrolle der Wasserstände und der Wassergüte in den Oberflächengewässern und im Grundwasser.
Der Bau des Marchfeldkanalsystems machte die Errichtung von 45 neuen Brücken erforderlich.
Das gesamte Gewässersystem wurde nach ökologischen Grundsätzen gestaltet – eine österreichische Pionierleistung zum Zeitpunkt der Errichtung. Die neu gestalteten Gewässer weisen mittlerweile einen enormen Reichtum an Strukturen und Lebensräumen auf und sind beliebte Naherholungsgebiete.
Der Betrieb und die Instandhaltung der baulichen Anlagen, sowie die Pflegearbeiten an den Gewässern werden von der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal geleistet.
Nutzen des Projektes
Regionale Wasserversorgung und Ressourcensicherung
Das Marchfeldkanalsystem deckt langfristig den hohen Wasserbedarf der Region mittels Direktentnahme des zugeleiteten Wassers durch die Landwirte und mittels Grundwasseranreicherung ab. Mit den Grundwasser-Anreicherungsanlagen – eine Neuentwicklung in Österreich – kann bei niedrigen Grundwasserständen der Grundwasserverlust langfristig ausgeglichen werden.
Wassergüte und Vorflutbeschaffung
Die Wasserqualität der Marchfeldbäche hat sich mit der Einbindung in das Marchfeldkanalsystem von der schlechtesten Güteklasse IV auf die für Flachlandgewässer typische Güteklasse II verbessert. Damit wird auch der „gute Zustand“ als Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie erreicht. Diese günstigen Verhältnisse erlauben es jetzt den Gemeinden und der Industrie, den Rußbach und den Stempfelbach als Vorfluter für ihre gereinigten Abwässer zu nutzen.
Hochwasserschutz
Im Zuge der Revitalisierung des Rußbaches wurden die Schutzdämme teilweise erneuert und verstärkt. Den besonders sensiblen Hochwasser-Rückstaubereich von Rußbach und Stempfelbach im Donau-March-Dreieck schützen heute 5 Pumpstationen, die bei Donau- und Marchhochwasser enormen Schaden verhindern.
Neue Gewässerlandschaften
Die Gewässermodellierung und die begleitende Vegetation wurden nach dem Vorbild natürlicher Flussläufe gestaltet. Die reichen Strukturen mit einer enormen Vielfalt an Lebensräumen bieten heute entlang der gesamten Gewässerachse Pflanzen und Tieren beste Entwicklungsmöglichkeiten, ein Kennzeichen des Marchfeldkanalsystems.
Touristische Nutzung
Die Gewässerlandschaft des Marchfeldkanals hat als Naherholungsgebiet mittlerweile einen enormen Stellenwert. Begleitwege mit einer Länge von mehr als 100 km Länge laden zum Wandern, Radfahren und Beobachten ein. Der Marchfeldkanal-Radwanderweg bietet gute Vernetzungsmöglichkeiten in der gesamten Region.
Neues Naherholungsgebiet in Wien
Die Errichtung des Marchfeldkanals bot in Wien die einmalige Chance, zeitgleich mit der Entstehung eines neuen Stadtviertels ein attraktives Naherholungsgebiet zu schaffen. Aus diesem Grund wurde das anspruchsvolle landschaftsplanerische und architektonische Konzept von Anfang an gemeinsam mit den Dienststellen der Stadt Wien erarbeitet und auf die künftigen Bedürfnisse abgestimmt.